Honoré de Balzac – Die grosse Hörspiel-Edition

Vier Hörspiele nach Vorlagen von Honoré de Balzac, der wie kein Zweiter die Gesellschaft im Frankreich des 19. Jahrhunderts zu porträtieren und zu sezieren verstand, hat der Hörverlag in dieser feinen Box versammelt.

In „Eugénie Grandet“ bekommt die reiche Familie eines Geizhalses plötzlich unfreiwilligen Zuwachs, und der Hausherr tut alles, um seinen Reichtum beisammen zu halten, was ihn schließlich fast die Liebe und das Leben seiner Tochter kostet.
In „Vater Goriot“ strebt der Student Rastignac nach der Aufnahme in die höheren Kreise der Gesellschaft und beginnt dafür ein Verhältnis mit der Tochter Goriots, der wie Rastignac in ärmlichen Verhältnissen in einer Pension lebt, weil er sein ganzes Vermögen seinen raffgierigen Kindern vermacht hat.
„Cousine Lisbeth“ beobachtet scheinbar im Hintergrund das Schicksal der Familie Hulot, schmiedet aber tatsächlich einen finsteren Plan um die Familie zu vernichten und sich so für eine frühe tiefe Kränkung zu rächen.

Und schließlich in „Verlorene Illusionen“ strebt der junge Lucien nach Höherem und einer Karriere als Schriftsteller. Auch er begibt sich in die feinsten Kreise von Paris, allerdings nur um schließlich an seiner Gier und seinem Übermut elendig zugrunde zu gehen.

„Verlorene Illusionen“, eine Produktion aus den frühen 1970er Jahren, zählt zu meinen absoluten Lieblingshörspielen. Mit einer formidablen Besetzung, unter anderem Horst Tappert, Peter Weis und Klaus Schwarzkopf, begeleiten wir Lucien durch alle Höhen und Tiefen seiner schriftstellerischen und gesellschaftlichen Karriere und erhalten tiefe Einblicke in die prunkvolle, bigotte und selbst schon im Untergang begriffene Adelsgesellschaft von Paris.Obendrein erfährt der Hörer viel über den Beginn des Zeitungs- und Verlagswesens. Und darüber, dass manchmal nur ein kurzer Augenblick zwischen Glück und Untergang liegt.

Ein wunderbares Hörspiel, das mir wieder einmal den Zugang zu großer Literatur ermöglicht hat, vor der ich in Buchfom sicherlich zurückgeschreckt wäre.

Mein zweiter Favorit innerhalb dieser Box ist „Eugénie Grandet“, vor allem dank der hervorragenden Leistung von Matthias Habich als geiziger und hartherziger Patriarch der Familie, der seinen Lieben im wahrsten Sinn des Wortes nicht einmal die Butter auf dem Brot gönnt. Ein bitter-komisches Kammerspiel, gepaart mit einer unglücklichen Liebesgeschichte, an deren Ende sich niemand einer kleinen Träne schämen sollte.

„Vater Goriot“, ebenfalls hochkarätig besetzt mit Schauspielgrößen wie Jens Harzer, Katharina Schüttler und Leslie Malton, lebt vor allem vom lebendigen Miteinander der Pensionsbewohner, und auch hier geht einem dank des mitreißenden Spiels von Hans Michael Rehberg das traurige Schicksal der Titelfigur sehr zu Herzen.

„Cousine Lisbeth“, die vielleicht finsterste Geschichte in der Sammlung, ist ebenfalls gut gespielt und von Regisseurin Christiane Ohaus fein inszeniert, irritierte mich allerdings mit einer zusätzlich eingebauten Metaebene, in der der Autor selbst zu Wort kommt.

Alles in allem möchte ich diese Kollektion aber allen Liebhabern klassischer Stoffe und gut gemachter Hörspiele unbedingt ans Herz legen.
Ganz große Unterhaltung, ganz großes Drama, ganz pralles Leben.

Weitere Infos gibt es hier!

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