Auf einen Kaffee mit Mozart

Mit Mozart Kaffee trinken gehen? Für mich eine reizvolle Vorstellung! Deswegen legte ich das Hörbuch mit relativ hohen Erwartungen ein – zumal das Cover zu einer „Zeitreise“ einlädt und ein Erleben des „Genie(s) Mozart ganz aus der Nähe“ verspricht.

Eine an sich interessante und neuartige Idee des Komplett Media Verlags, der in dieser Reihe bisher schon Buddha, Aristoteles, Michelangelo, Einstein oder Newton um den Kaffeetisch versammelte.

Zu hören gibt es bei der vorliegenden Folge ein fiktives Gespräch zwischen dem mit bedeutendsten Komponisten der Wiener Klassik und einem  englischen Musikliebhaber, die sich zufällig auf der Straße begegnen – während Mozarts letzter Lebenswochen im November 1791, als er schon von seiner letzten schweren Krankheit gezeichnet ist. (Um auf sein komplettes Leben zurückblicken zu können, käme wohl auch kein anderer bzw. früherer Zeitpunkt in Frage…).

Der emeritierte Musikprofessor und Mozart-Experte Julian Rushton von der Universität Leeds orientiert sich dazu – richtigerweise! – am Inhalt und am Sprachstil von Mozarts erhaltenen Briefen. Ob dieser imaginäre Dialog über Musik und Menschsein allerdings tatsächlich so stattgefunden haben könnte (wie im Hörbuch selbst angenommen wird), erscheint mir dennoch fraglich. Ich halte es für ziemlich unrealistisch, dass der zwar weltoffene, aber doch sehr sensible Mozart ausgerechnet einem ihm unbekannten Musikfan aus England derart persönliche Einblicke in sein künstlerisches und privates Leben geben sollte. Dazu hätte man wohl eher eine ihm tatsächlich vertraute, nahestehende Person wie z.B. seinen Freimaurer-Logenfreund Johann Michael Puchberg oder Emanuel Schikaneder, den Librettisten und ersten Papageno seiner Zauberflöte, wählen sollen. Da Autor Rushton aber aus englischsprachigen Gefilden stammt, sei ihm dieser „Kunstgriff“ gestattet.

Bis es aber überhaupt zum Zusammentreffen der beiden Gesprächspartner kommt, dauert es etliche Zeit:

Den Einstieg macht ein sehr esoterisch und spirituell angehauchtes Vorwort von Sir John Travener, einem zeitgenössischen englischen Komponisten, der vor allem für seine religiöse Vokalmusik bekannt ist. Manche seiner Thesen halte ich zwar für „zu weit hergeholt“ (wenn er etwa die Zauberflöte mit der Flöte Krishnas vergleicht oder ihn als „Gottes Werkzeug“ sieht); aber viele der angeführten Punkte sind durchaus beachtenswert, diskussionswürdig und werfen interessante Aspekte auf.

Danach folgen eine Einführung (also die Einordnung Mozarts in seinen kulturellen und kompositorischen Kontext) sowie die Schilderung seines Lebens „in Kürze“ (die dann doch etwas länger ausfällt), sprich eine Biographie inklusive Differenzierung zwischen Mythos und Wirklichkeit.

Für meinen Geschmack hätte es mir allerdings besser gefallen, wenn solche Infos direkt in das anschließende Kaffeegespräch selbst eingebaut worden wären…

Dieser Dialog (in mehrere Einzelkapitel bzw. Oberpunkte unterteilt) wird freilich von zwei Meistern ihres Fachs brillant gesprochen: Christian Rode, Schauspieler und begnadeter Synchronsprecher, zieht mit seiner markanten Stimme als Erzähler und englischer Musikliebhaber in seinen Bann; Simon Jäger, routinierter Synchron- und Hörspielfachmann, überzeugt als Mozart in den unterschiedlichen Stimmungsfacetten. Ansonsten fehlen – bis auf z.B. das Anfangsgeräusch des Kaffeeeinschenkens und die Getränkebestellungen – akustische Untermalungen fast völlig. Auch auf die Illustration durch Musikbeispiele, die sich an vielen Stellen geradezu aufdrängen würden, etwa wenn der Komponist selbst explizit Passagen aus seinen Werken zitiert, wartet man vergeblich. Und gerade darin, das akustisch-musikalische mit dem sprachlich-literarischen Potential zu verbinden, läge für mich das Einzigartige eines Hörbuchs diesen Formats.

Die Gesamtkonzeption wirkt auf mich deshalb zu wenig lebendig und kann die Hoffnungen, die der Titel in mir geweckt hat, nicht ganz erfüllen. Das Gespräch ist teilweise eher als Interview denn als sich entwickelnder Gedankenaustausch angelegt – gegliedert anhand unterschiedlicher thematischer „Überschriften“ zu Mozarts persönlichem, gesellschaftlichem und kompositorischem Wirken. Beim rein auditiven Zugang kann man da schon einmal den Überblick, den „roten Faden“ verlieren… In Form des ursprünglichen Lesebuchs dagegen mag der Umgang damit leichter fallen, da man bei Bedarf zurück- oder vorblättern und sich so die Zusammenhänge noch besser erschließen kann. Für Mozart-Neulinge ist das Konzept demnach zu schwierig und auch ein wenig zu „trocken“ gewählt.

Bei der flüssig klingenden Übersetzung ins Hochdeutsche von Bettina Lemke hätte ich mir nur noch zumindest ein klein wenig vom Wiener „Schmäh“ und Dialekt gewünscht, der in Mozarts Umfeld wohl herrschte. Zur authentischeren Vermittlung und Auflockerung wäre das vielleicht eine gute, wenn auch womöglich zu spezielle Idee gewesen. Immerhin bestellt der Komponist ja anfangs aber schon mal Bier und Brathendl ;-)

Für Mozart-Versierte bietet das Hörbuch trotz mancher Einschränkungen viele interessante Details, kleine Anekdoten zum Schmunzeln und Richtigstellungen von falsch überlieferten Spekulationen, die man aus dem Stegreif vielleicht nicht mehr unbedingt im Kopf hätte. Eine abwechslungsreiche Alternative zu den „herkömmlichen“ Mozart-Biographien ist es allemal.

„Auf einen Kaffee mit Mozart“ ist als Hörbuch beim Komplett Media Verlag erschienen und als Doppel-CD (14,95 €) und Download (10,95 €) erhältlich.

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