Wir

Im 26. Jahrhundert leben die wenigen Menschen, die einen großen Krieg überlebt haben, im Einzigen Staat, der den unzivilisierten Zustand der Freiheit überwunden hat und seine Bewohner auf bloße Nummern reduziert. Alle leben glücklich in gläsernen Behausungen unter dem Joch der Vernunft.
Da verliebt sich der systemtreue D-530 in die Revoluzzerin I-330, die ihm die Grenzen des Staates zeigt und in ihm Zweifel an dem totalitären System weckt.

Der Roman „Wir“, verfasst von dem russischen Schriftsteller Jewgenij Samjatin und erstmals 1920 erschienen, gilt vielen als Vorläufer von George Orwells „1984“.

So trägt der „Große Bruder“ in „Wir“ den Namen „Der Wohltäter“ und ist stets darum bemüht, die Bewohner des Einheitsstaates auf Linie zu halten und an ihre Pflichten zu erinnern.
In einer besonders eindrucksvollen Szene wird aber auch die öffentliche Hinrichtung eines Systemkritikers geschildert, die ebenfalls unter Aufsicht des Wohltäters stattfindet.
Für die Rolle des Wohltäters konnte man den Ausnahmeschauspieler Hanns Zischler (München) gewinnen, durch den die Rolle eine gerade zum Ende hin beängstigende Intensität bekommt. Da ich erst kürzlich den Film „1984“ wieder gesehen habe, musste ich bei Zischlers Darstellung immer wieder an Richard Burton in der Rolle des O´Brien denken, der Winston Smith, den Helden von „1984“, am Ende verrät.

Der erfahrene Hörspiel- und Hörbuchsprecher Andreas Pietschmann spielt den zunehmend zweifelnden D-503. Zusammen mit Jana Schulz als I-330 gelingen eindringliche, teils sehr erotische Szenen, in denen der sonst so rationale Mathematiker in ein Chaos der Gefühle stürzt.

So entstehen auch immer wieder beeindruckende Traumsequenzen, deren Wirkung durch den orchestralen, manchmal etwas überbordenden Soundtrack noch verstärkt wird.

Die Geschichte bleibt dank des zweischneidigen Charakters von D-503 bis zum Ende spannend, in dramatischen Massenszenen darf die Musik auch gern etwas elektronischer werden und der geneigte Science-Fiction-Hörspielfan an moderne Genrevertreter wie „Mark Brandis“ denken.

Und in Zeiten, in denen viele Menschen sich nach starken Anführern mit einfachen Antworten auf komplizierte Fragen zu sehnen scheinen, ist Samjatins Stoff aktueller denn je.

Deshalb zum Abschluss ein Zitat des Regisseurs Christoph Kalkowski, das im Booklet der CD zu finden ist:

„Ich hoffe, dass Sie dieses Hörspiel neben dem künstlerischen Genuss auch wütend macht. Unsere Demokratie ist in Gefahr. Stehen wir auf und verteidigen sie!“

Glückwunsch! Mission erfüllt, Herr Kalkowski.

Weitere Infos gibt es hier!

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