Maigret & Co – Die rätselhaftesten Fälle

Das jüngste der fünf Hörspiele in dieser Box stammt aus dem Jahr 1963. In „Die schwarze Kugel“, einer von drei Non-Maigret-Geschichten, kämpft ein Mann um soziale Anerkennung in seinem Wohnort und muss sich zugleich seiner Vergangenheit stellen. Denn ein Unfall seiner psychisch kranken Mutter führt ihn zurück zu seinen Wurzeln.

In „Die Ehe der Bébé Donge“ (1955) muss sich der Schürzenjäger François damit abfinden, dass seine schöne Frau Bébé einen Giftanschlag auf ihn verübt hat. Und wir Hörspielfans bekommen in dieser über 60 Jahre alten Radioperle einen jungen Hans Paetsch am Rande des Nervenzusammenbruchs zu hören, den die Frage nach dem „Warum“ ebenfalls in die Vergangenheit führt.

In „Die Brüder Rico“ (1957) wird Eddie aus seinem beschaulichen Leben als Mafiaboss in Florida gerissen, als sein Bruder verschwindet. Eddie muss Tony finden und steht schließlich vor einem Dilemma: Soll er seinen Bruder ausliefern oder seine Existenz aufs Spiel setzen?

In „Die Pfeife des Kommissars Maigret“ (1953) kommt das geliebte Rauchinstrument des Meisterdetektinvs abhanden. Maigret verdächtigt den Sohn der Madame Leroi, die von wiederholten Einbrüchen in ihrer Wohnung berichtet. Als Tags darauf der Sohn vermisst wird, macht sich Maigret auf die Suche. Eigentlich will er ja nur seine Pfeife zurück, stößt im Lauf seiner Ermittlungen aber auf ein weitaus spektakuläreres Verbrechen.

In „Maigret und der Minister“ (1958) schließlich bringt ein brisantes Gutachten einen prominenten Politiker in Bedrängnis. Das Dokument ist verschwunden. Eine Regierungskrise droht. Aber kann Maigret dem Minister wirklich trauen?

Freunde moderner Hörspielkrimis werden wohl eher nicht viel mit diesen klassischen Radioproduktionen des SWR und des SRF anfangen können. Gerade die Maigrets haben schon reichlich Patina angesetzt und erfordern Geduld vom Hörer des Jahres 2017. Allerdings sind sie gut gespielt und laden auf ihre Art zum Miträtseln ein. „Maigret und der Minister“ erhält dabei aufgrund der Geschichte noch eine besonders tragische Note. Und gerade die kammerspielartigen Szenen zwischen Maigret (Leopold Biberti) und dem Minister (Ekkehard Kohlund) entfalten trotz ihrer „altmodischen“ Inszenierung auch heute noch eine starke Wirkung.

„Die schwarze Kugel“ besticht durch ihren ungewöhnlichen Spannungsbogen sowie den raffinierten Einsatz des Erzählers Walter Hilsbecher. Kein klassischer Krimi, eher das Drama eines Mannes, der mit allen Mitteln um Anerkennung kämpft, inszeniert vom einstigen „König der Vorleser“ Gert Westphal („Das Parfüm“).

„Die Ehe der Bébé Donge“ lohnt allein wegen der bereits erwähnten, exzellenten Darbietung des damals 46-jährigen Hans Paetsch in der Hauptrolle. Ein Krimi der etwas anderen Art, in dessen Verlauf das Opfer sich gewissermaßen selbst als Auslöser der Tat entlarvt. Paetsch macht daraus ganz großes, zu Herzen gehendes Drama.

„Die Brüder Rico“ hat für mich als einziges Hörspiel der Sammlung nicht wirklich funktioniert. Trotz prominenter Besetzung (Marianne Kehlau, Horst Tappert, Lina Carstens…) hat mich das Ganze seltsam kalt gelassen.
Dennoch konnte ich als großer Simenon-Fan wieder eine Lücke auf dem Weg zur Kenntnis des Gesamtwerks dieses großen Autors schließen.

Simenon-Freunden kann ich diese Box daher uneingeschränkt empfehlen. Auch Liebhaber klassischer Radiohörspiele wie „Paul Temple“ sollten unbedingt einmal reinhören. Und schließlich ist es immer lobenswert, wenn Verlage alte Hörspielschätze vor dem Verstauben und Vergessen retten und sie durch eine Veröffentlichung einem breiten Publikum zugänglich machen.

Eine Hörprobe gibt es hier!

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