Sieben Siegel – Staffel 1

Willkommen in Giebelstein. Die vier Freunde Kyra, Lisa, Nils und Chris wittern ein dunkles Geheimnis, das über ihrem Heimatort liegt.
Alles beginnt mit dem nächtlichen Erscheinen der alten Sophia Markwart, die mit einem Messer bewaffnet im Zimmer der Kinder auftaucht.
Kyra glaubt an einen Mordanschlag und daran, dass Sophia Markwart eine Hexe ist, aber niemand will ihr glauben.
Immer tiefer dringen die Kinder in die Geschichte ihres Heimatorts und in die Familiengeschichte Kyras vor, und wie es scheint, lauert etwas abgrundtief Böses hinter den beschaulichen Fassaden und in den Wäldern rund um Giebelstein.

Hier handelt es sich um einen Reboot der Hörspielserie „Sieben Siegel“. Bereits Anfang der 2000er Jahre erschien eine (leider) kurzlebige Hörspieladaption von Kai Meyers Jugendbuchreihe.
Kai Meyer weist allerdings darauf hin, dass die Neufassung nichts mit den Jugendbüchern zu tun hat und sich ebenfalls nicht an Kinder richtet.

Und dass es sich in der Tat nicht um Kinderkram handelt, wird der geneigte Hörer gleich zu Beginn von Episode 1 des achtteiligen Abenteuers merken. Dann nämlich, wenn die alte „Hexe“ Sophia Markwart des Nachts in Kyras Zimmer auftaucht.
Einmal mehr zeigt sich schon hier die Meisterschaft der Produzenten Simon Bertling und Christian Hagitte (Stil), wenn es um die Schaffung unheimlicher akustischer Atmosphären geht.
Ich möchte jedem Gruselfreund wünschen, dass es ihm ergeht wie mir, und er das Bild einer langhalsigen Greisin, die eine Glühbirne verschluckt, tagelang nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

Und für die Kinder wird es nicht die einzige Begegnung der unheimlichen Art bleiben.
Gänsehaut ist auch garantiert, wenn die Freunde in den (ganz und gar nicht) verlassenen Einödhof von Sophia Markwart eindringen oder eine ehemalige Kultstätte in den Wäldern rund um Giebelstein besuchen.

Wer das beinahe siebenstündige Hörspiel am Stück hört, mag eine gewisse Formelhaftigkeit erkennen, denn beinahe jeder Ort, den die Vier aufsuchen, birgt ein dunkles Geheimnis, sodass man sich als Hörer manchmal vorkommt wie bei einem Streifzug durch einen Vergnügungspark voller Geisterbahnen.

Aber man begibt sich gern auf den Trip, zumal wenn er so grandios inszeniert ist wie im vorliegenden Fall. Die Macher verzichten dankenswerterweise auf reißerische Jump Scares, sondern lassen stattdessen alles über Musik, Geräusche und das feine Sprecherensemble, gerne auch mal quälend langsam vom Ohr direkt in die Amygdala der latent nägelkauenden Hörerschaft sickern.
Der Soundtrack erinnert dabei mal an Synthie-Pop der 1980er Jahre oder auch gern an Carsten Bohns Backgroundmusiken für die Hörspielschmiede EUROPA. Und ab und an fühlt man sich wie in einem Old-Time-Music-Soundtrack, den T. Bone Burnett für einen Film der Coen-Brüder komponiert haben könnte.

Das in TV- und Hörspielserien momentan unheimlich angesagte 80er-Jahre-Setting wird von Autor Kai Meyer zum Glück nicht überstrapaziert. Raider naschen, BRAVO lesen und ET – Der Außerirdische im örtlichen Kino schauen genügt mir als Kind der 80er jedenfalls vollauf als Remineszenz an ein Jahrzehnt, das insgesamt vielleicht gar nicht so geil war, wie es einem die seriell erzählende Zunft glauben machen möchte.

Zur Besetzung:
Die Kinder sind mit Luisa Wietzoreck, Maximilian Artajo, Marie-Luise Schramm und Ricardo Richter sehr gut besetzt, auch wenn die Schauspieler hörbar schon die 20 erreicht haben. Sie sind Profis und machen sich glücklicherweise stimmlich nicht jünger als sie sind.
Auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt, etwa mit Lutz Riedel als Kinobesitzer, Jan Spitzer, Bernd Egger und Joseline Gassen. Nicht zu vergessen natürlich David Nathan als Erzähler, der mit viel Gespür für Stimmungen und Situationen viel zur unheimlichen Atmosphäre des Hörspiels beiträgt.
Besonders hervorheben möchte ich noch die wunderbare Christin Marquitan in ihrer Rolle als Kyras Hippie-Tante Cassandra, die durch ihr einfühlsames Spiel dafür sorgt, dass es im oft finster-morbiden Giebelstein auch angenehm menschelt.

Ein im besten Sinn des Wortes unheimlich atmosphärisches kleines Meisterwerk für alle Freunde fantastischer Unterhaltung. Die Kombination Kai Meyer & Stil hat nach Imperator einen weiteren Hörspielhöhepunkt des Jahres 2020 abgeliefert.
Und wie man hört, ist Staffel 2 schon geschrieben.

Hier gibt es eine Hörprobe!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert