Der Mieter

roland topor der mieterDer schüchterne Trelkovsky ist glücklich, endlich in Paris eine Wohnung gefunden zu haben. Von dem misstrauischen Vermieter erfährt er, dass sich die Vormieterin der Wohnung aus dem Fenster gestürzt hat. Von Beginn an interessiert er sich für seine Vormieterin, bändelt sogar mit einer ihrer Freundinnen an und stöbert in ihren Hinterlassenschaften. Vermieter und Nachbarn begegnen Trelkovsky allerdings immer argwöhnischer. Bald hat er einen schrecklichen Verdacht: Haben die Nachbarn vielleicht seine Vormieterin Simone in den Selbstmord getrieben? Und haben sie mit ihm dasselbe vor?

Jens Wawrczeck (Die drei ???) erlaubt sich mit seiner Edition Audoba den Luxus, von ihm selbst ausgewählte Romane als Hörbücher einzulesen. Mit Der Mieter, geschrieben von Roland Topor und 1976 verfilmt von Roman Polanski, hat er sich für einen verstörenden Thriller entschieden, in dessen Interpretation er zu wirklicher schauspielerischer Höchstform aufläuft.

Wegen des eher unscheinbaren Beginns, der eher nach dem Portrait eines Versagers klingt, bedurfte es bei mir einiger Anläufe, um mich dem Hörbuch voll und ganz zu widmen.

Der Horror kommt schleichend, denn auf seinem Weg in die Psychose weiß man bald nicht mehr, was Realität ist, und was nur Trelkovskys Einbildung. Topor findet dafür teilweise wirklich drastische Bilder. Auch Trelkovskys Charakterzeichnung spart nicht mit drastischen Details und Eigenheiten. Und mittendrin bietet der Roman eine Liebesszene, die mir durch ihre Wahrhaftigkeit und durch Trelkovskys nebenher ablaufendes Kopfkino noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Am Ende, wenn es für Trelkovsky kein Entkommen mehr zu geben scheint, schlägt schließlich die große Stunde Jens Wawrczecks. Wie er während des blutigen Finales infernalisch aufspielt, das habe ich so in einem Hörbuch eigentlich noch nie erleben dürfen. Beeindruckend, wie der Vorleser voll und ganz in der finsteren Welt der Hauptfigur aufgeht.

Und ganz zum Schluss, nachdem Trelkovsky und der Hörer ziemlich verstört zurückbleiben, überrascht Jens Wawrczeck noch als Sänger des Chansons „La ballade de Simone Choule“, das er zusammen mit der französischen Band Les Punaises aufgenommen hat.

Ein absoluter Hörtipp! Ein verstörender, spannender Trip in eine (Gedanken-)Welt, in der das Leben im vermeintlich trauten Heim zum absoluten Alptraum wird.

Eine Hörprobe gibt es hier!

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